Audi-BKK lehnt notwendiges Hilfsmittel zunächst abSoVD erwirkt Kostenübernahme für Reha-Stuhl

Trotz mehrerer Erkrankungen mit schwerwiegenden körperlichen Beschwerden versucht Ingrid T. (Name geändert), ihren Alltag bestmöglich zu bewältigen. Der Rollstuhl, den sie zu Hause nutzt, um mobiler zu sein, verschlimmert ihre Wirbelsäulenprobleme jedoch. Einen Therapie-Stuhl, der ihre Schmerzen lindern und den Beschwerden entgegenwirken könnte, will die Krankenkasse nicht zahlen. Erst ein Widerspruch des SoVD veranlasst die Versicherung dazu, Ingrid T.s Gesundheitszustand neu zu bewerten.
Der Alltag kostet Ingrid T. viel Kraft. Durch eine schwere Osteoporose ist ihre Mobilität eingeschränkt und sie leidet immer wieder unter enormen Schmerzen. Die Erkrankung verursacht vielfältige gesundheitliche Probleme. „Im Moment habe ich drei Brüche im linken Fuß“, erläutert die 71-Jährige. Auch Knöchel oder Schienbein seien bereits gebrochen gewesen. In ihr Schultergelenk musste inzwischen zum zweiten Mal eine Titanplatte eingesetzt werden. Zudem habe infolge der Osteoporose die gesamte Wirbelsäule Schäden davongetragen, so Ingrid T. Insbesondere die starken und anhaltenden Rückenschmerzen schränken sie im Alltag sehr ein. Der Rollstuhl, der ihr zu Hause als Hilfsmittel dient, um mobil zu sein, hat diese verstärkt. „Durch den Rollstuhl hat sich die Wirbelsäule noch weiter verdreht. Er gibt dem Rücken keinerlei Halt“, schildert Ingrid T. Dadurch seien die Beschwerden schlimmer geworden. „Ich konnte zeitweise nicht im Bett liegen und länger als eineinhalb Stunden schlafen, weil die Schmerzen so stark waren“, beschreibt das SoVD-Mitglied.
Ein passender Therapie-Stuhl würde die Beschwerden lindern
Sie informiert sich im Internet, was ihr helfen und einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustands entgegenwirken könnte. Auch tauscht sich Ingrid T. mit ihren Ärztinnen und Ärzten aus. Statt des ungeeigneten Rollstuhls empfehlen ihr diese, zu Hause einen Therapie-Stuhl zu nutzen und sie stellen ihr eine entsprechende ärztliche Verordnung aus. Anschließend prüfen Fachleute im Sanitätshaus, welcher Stuhl sich für sie eignet und mit welchem sie gut zurechtkommt. Dabei findet sich ein geeignetes Modell. Der Sitz sei gut und der Therapie-Stuhl gebe viel mehr Halt als der einfache Rollstuhl, erzählt Ingrid T. Ganz entscheidend wichtig sei auch die elektrische Aufstehhilfe mit dem Kippen der Sitzfläche, die der ausgewählte Therapie-Stuhl bietet: „Damit kann ich einfacher auf meine Füße kommen und muss mich nicht mit meiner kaputten Schulter herausstemmen“, veranschaulicht Ingrid T. Aus dem Rollstuhl aufzustehen, sei ihr nur mit viel Mühe und Schmerzen möglich.
Nach Entscheidung nach Aktenalge lehnt die Krankenkasse eine Kostenübernahme ab
Erleichtert darüber, dass es ein passendes Hilfsmittel gibt, beantragt sie bei ihrer Krankenversicherung, der Audi BKK, eine Kostenübernahme für den Therapie-Stuhl. Doch die Krankenkasse lehnt dies rasch ab. Sie verweist darauf, dass ihre Leistungen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen“. Zudem behauptet die Versicherung in ihrem Schreiben, dass sie Kosten für den beantragten Therapie-Stuhl nicht übernehmen dürfe, da er aufgrund fehlender Zulassung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Ingrid T. kann dies nicht nachvollziehen. Vor allem versteht sie nicht, warum sich vor der Ablehnung niemand zu Hause ein Bild von ihrem Alltag und den schwerwiegenden Schmerzen gemacht hat. Stattdessen wurde nach Aktenlage entschieden. Als auch ein Telefonat mit der Versicherung nicht weiterhilft, stoßen Ingrid T. und ihr Mann auf das SoVD-Beratungszentrum in Salzgitter und dessen sozialrechtliche Unterstützung. Schnell sei klar gewesen: „Das müssen wir machen, das ist die letzte Chance“, erinnert sich Ingrid T. Der SoVD in Salzgitter reicht für sie Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Krankenversicherung ein. Dabei richtet sich der Widerspruch insbesondere gegen die Aussage, das beantragte Hilfsmittel sei keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Adriano Kovac, der zuständige SoVD-Berater, weist darauf hin, dass ein Hilfsmittelverzeichnis lediglich eine Entscheidungshilfe ist, aber keine abschließende Entscheidungsgrundlage. „Wir haben in der Widerspruchsbegründung aufgezeigt, dass ein einfacher Rollstuhl bereits zu einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands von Frau T. geführt hat und der beantragte Therapie-Stuhl dazu beitragen kann, den Alltag mit weniger Schmerzen und körperlichen Anstrengungen zu bewältigen“, schildert Kovac. „Deswegen haben wir angeregt, den Vorgang dem Medizinischen Dienst vorzulegen, damit dieser die Besonderheiten des vorliegenden Falls prüfen kann.“ Zusätzlich verfasst Ingrid T. auf Empfehlung des SoVD eine Eigendarstellung, in der sie ihre täglichen gesundheitlichen Beschwerden schildert und verdeutlicht, dass sie derzeit keine Lebensqualität hat.
Auf Empfehlung des SoVD wird doch noch der Medizinische Dienst hinzugezogen
Im Widerspruchsverfahren folgt die Krankenkasse der Empfehlung des SoVD und zieht den Medizinischen Dienst hinzu. Dieser erkennt den Bedarf von Ingrid T. an und bestätigt, dass sie einen Therapie-Stuhl benötigt. Jedoch bezieht sich die Krankenkasse nochmals auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und veranlasst, dass zunächst andere Modelle auf Verwendbarkeit geprüft werden. Erst nach einem weiteren Austausch zwischen Krankenversicherung und Sanitätshaus erhält Ingrid T. den Bescheid, dass die Kosten für das ursprünglich beantragte Modell übernommen werden. „Ich bin wirklich heilfroh, dass wir das gemacht haben und in den Widerspruch gegangen sind – und dass die Krankenversicherung die Kostenübernahme endlich, endlich bewilligt hat“, freut sich das SoVD-Mitglied.