Kontrollanruf bei ArbeitsunfähigkeitDruck am Telefon: Krankenkasse streicht Zahlung

2023 ist ein schwieriges Jahr für Julia K. (Name geändert): Erst bekommt sie psychische Probleme und wird für längere Zeit krankgeschrieben, dann wird ihr während der Krankheit gekündigt. Doch damit nicht genug. Obwohl sie immer noch nicht wieder fit ist, möchte ihre Krankenkasse die Zahlung des Krankengelds einstellen. Erst nachdem der SoVD Widerspruch gegen diese Entscheidung einlegt, lenkt die AOK ein.
Im August 2023 wird Julia K. aufgrund einer depressiven Störung krankgeschrieben. „Ich war völlig überarbeitet und auch die Erkrankung meines Sohns hat mich viel Kraft gekostet“, erzählt die Pflegefachkraft. Sie versucht alles, um schnellstmöglich wieder auf die Beine zu kommen und beginnt eine Therapie. Im November erhält sie jedoch die Kündigung ihres Arbeitgebers – ein weiterer Rückschlag für die 39-Jährige. „Das hat alles noch viel schlimmer gemacht. Ich wusste überhaupt nicht mehr, wie es weitergehen soll“, sagt sie. Trotzdem lässt sie sich nicht entmutigen und arbeitet weiter an ihrer Genesung.
Nach Kontrollanruf der Krankenkasse wird Julia K. als arbeitsfähig befunden
Ihrer Krankenkasse AOK geht das aber offenbar nicht schnell genug. Im März bekommt Julia K. einen Anruf, in dem ihr die Krankenkasse mitteilt, dass Julia K. aus ihrer Sicht wieder gesund und arbeitsfähig sei. „Mir haben wirklich die Worte gefehlt. Es ist mir noch immer völlig unverständlich, wie die AOK zu diesem Ergebnis gekommen ist“, erzählt das SoVD-Mitglied. Was sie besonders schockiert: „Der Ton war ziemlich forsch. Ich habe mich sehr unter Druck gesetzt gefühlt und war wirklich ratlos.“ Denn: Julia K. ist bei Weitem noch nicht wieder gesund. Zudem hat sie derzeit keinen Job mehr.
Einige Tage später erhält sie ein entsprechendes Schreiben der Krankenkasse, in dem die Einstellung des Krankengelds bestätigt und ihr nahegelegt wird, sich mit der Agentur für Arbeit in Verbindung zu setzen, damit ihr ein Job vermittelt werden kann. Verzweifelt wendet sich Julia K. an das SoVD-Beratungszentrum in Peine. Für Arndt Michelmann, Rechtsanwalt und Leiter des Beratungszentrums, ist der Fall keine Seltenheit. „Es kommt regelmäßig vor, dass Krankenkassen sich telefonisch nach dem Gesundheitszustand erkundigen und oft auch das Ende des Krankengelds ankündigen. Viele unserer Mitglieder fühlen sich dadurch massiv unter Druck gesetzt und sind hilflos – gerade, wenn sie eine psychische Erkrankung haben“, sagt er. Deshalb hat er einen wichtigen Hinweis für alle Betroffenen: „Es ist das gute Recht der Versicherten, der Krankenkasse Anrufe, in denen nach dem Gesundheitszustand und der Arbeitsfähigkeit gefragt wird, zu untersagen. Die Betroffenen sollten dann darauf bestehen, alles Weitere schriftlich zu klären.“
Der SoVD greift ein und hilft beim Widerspruch
Für Julia K. legt Michelmann Widerspruch gegen den Bescheid der Krankenkasse ein. „Wir haben nochmal deutlich gemacht, dass eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit derzeit unmöglich ist und haben auch noch ein Attest der Fachärztin beigefügt, die das bestätigt“, so Michelmann. Der Einsatz des SoVD hat Erfolg, die AOK lenkt ein und zahlt Julia K. weiterhin Krankengeld. Um wieder ganz gesund zu werden, tritt die 39-Jährige demnächst eine Reha über die Deutsche Rentenversicherung an. Das Ziel: Beruflich wieder durchstarten und einen neuen Job suchen. Auch dazu hat Rechtsanwalt Michelmann noch einen wichtigen Tipp: „Wem während der Krankheit gekündigt und das Krankengeld gestrichen wird, der sollte sofort einen Antrag auf Arbeitslosengeld I und Bürgergeld stellen.“ Denn: Während eines Widerspruchsverfahrens zahlt die Krankenkasse nicht und die Betroffenen stehen ohne finanzielle Mittel da. „Damit das nicht passiert, sollten parallel die Anträge bei der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter laufen. Falls ein Widerspruch keinen Erfolg hat, erhalten Versicherte dann Arbeitslosen- oder Bürgergeld“, so der SoVD-Berater. Die parallele Beantragung der beiden Leistungen sei sinnvoll, da nicht immer klar sei, was genau infrage kommt. Beides werde dann entsprechend geprüft. „Wer sich unsicher ist, sollte unbedingt zu uns in die Beratung kommen, um das weitere Vorgehen zu besprechen“, rät Michelmann.