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Gut gemacht!Mit vielen Verbündeten zur barrierefreien Stadt: SoVD in Buxtehude packt es ideenreich an

Schon 2018, während der niedersachsenweiten SoVD-Kampagne „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert“, konnte der Ortsverband Buxtehude Verbesserungen bei der Barrierefreiheit erzielen. Schnell hatte das Vorstandsteam den Wunsch, dieses Engagement über die Kampagne hinaus fortzusetzen. Die SoVD-Aktiven ergriffen die Initiative und gründeten mit anderen Organisationen und Betroffenen die „Interessensgemeinschaft Barrierefreies Buxtehude“. Gemeinsam wurde ein fortlaufender Prozess angestoßen, der äußerst ideenreich und durchdacht alle vor Ort sensibilisiert und beteiligt: Bevölkerung, Politik, Verwaltung. Und nun, im aktuellsten Projekt, auch die Wirtschaft – mit einer Fotoausstellung und Rampen aus Legosteinen.

„Um wichtige Anliegen durchzusetzen, ist es von Vorteil, sich mit anderen zusammenzutun“, sagt Uschi Reinke, Vorsitzende des Ortsverbands Buxtehude. Das Vorstandsteam suchte sich gezielt Verbündete. „Wir haben zum Beispiel die Lebenshilfe ins Boot geholt oder unsere hochschule21, also Organisationen, die sich für Menschen mit Behinderung einsetzen, und Betroffene. Das war uns ganz wichtig“, betont Reinke und ergänzt: „Wenn man selber nicht betroffen ist, sieht man manche Dinge gar nicht.“ Der „Interessensgemeinschaft Barrierefreies Buxtehude“ gehören neben dem SoVD acht weitere Vereine und Expert*innen an. Von Anfang an lud sie Politiker*innen zu Aktionen und Veranstaltungen ein. Diese zeigten sich begeistert und regten an, dass ein konkreter Fahrplan für eine barrierefreie Stadt ausgearbeitet werde. „Diesen Auftrag haben wir gerne angenommen“, erinnert sich Reinke.

Vernetzung und Fahrplan für Barrierefreiheit

Zunächst dokumentierte die Interessensgemeinschaft gemeinsam mit weiteren Organisationen die Barrieren in Buxtehude. „Außerdem war uns wichtig, die Bevölkerung zu beteiligen. Deswegen haben wir zu Spaziergängen aufgerufen, auf denen die Menschen zusammen nach Barrieren in der Stadt gesucht haben“, schildert Reinke. Unter Leitung des SoVD lud die Interessensgemeinschaft anschließend Politiker*innen, Betroffene und die Bevölkerung zu einem Workshop ein, um den Fahrplan zu entwickeln. „Vom Workshop und den Ergebnissen haben wir eine Broschüre veröffentlicht, damit auch andere unsere Arbeit nachahmen können“, erzählt die Ortsvorsitzende – andere SoVD-Aktive können diese gerne bei ihr bestellen. Anfang 2020 präsentierte Reinke den Fahrplan dem Sozialausschuss der Stadt und schlug die dringendsten Handlungsfelder vor. Bei vielen Anliegen wurden rasch Verbesserungen erreicht. Die akustischen Blindenleitsysteme an den Ampeln wurden repariert. Auch die Deutsche Bahn reagierte und markierte die Treppenstufen im Bahnhofsgebäude mit gelben Streifen. So können sich Menschen mit Seheinschränkungen sicherer bewegen.

Ausstellung „Barriere zeigt Gesicht“ mit Suchspiel

Nachdem sich Politik, Verwaltung und Bevölkerung für Barrierefreiheit in Buxtehude eingesetzt hatten, wollte die Interessensgemeinschaft 2021 auch die Wirtschaft ansprechen. Reinke dachte an aus Legosteinen gefertigte Rampen vor den Geschäften, die Schwellen und Stufen am Ladeneingang überwinden. Aus Fernsehberichten hatte sie von solchen Projekten in anderen Städten erfahren. Die Lego-Rampen könnte jede*r bauen und sie wären für viele Menschen hilfreich. Zunächst galt es, die Ladeninhaber*innen für das Thema Barrierefreiheit zu sensibilisieren: Die Interessensgemeinschaft entwickelte eine ausgeklügelte Idee – mit einer Fotoausstellung in Geschäften und einem Suchspiel für die Bevölkerung wollte sie auf alltägliche Behinderungen aufmerksam machen. „Wir haben eine Fotografin engagiert, die elf Betroffene mit ganz unterschiedlichen Einschränkungen portraitiert hat“, beschreibt Reinke.

Von jeder Person entstanden zwei Bilder – ein Foto, das die Person bei einer Aktion zeigt, und ein Foto, das darstellt, was die Person im Alltag behindert. Aufgenommen wurde zum Beispiel ein Rollifahrer, der die Tür des Kaufhauses nicht passieren kann oder ein Mann mit Autismus, den es einschränkt, wenn im Haus Handwerker arbeiten. „Uns war wichtig, ganz unterschiedliche Betroffene zu zeigen und nicht nur körperliche Behinderungen zu thematisieren. Denn es gibt viele Dinge, die uns behindern können“, sagt Reinke. Das können Treppenstufen, aber auch unverständliche Behördenformulare sein. Sie ist selbst von Laden zu Laden gegangen, hat die Fotos und das Konzept eines Suchspiels den Ladeninhaber*innen vorgestellt. Die Bevölkerung bekam die Aufgabe, die Bild-Paare in den Läden zu finden, ein Selfie zu schicken und sich so an einem Gewinnspiel zu beteiligen. „Die Inhaber haben begeistert auf die Fotos reagiert. Sie haben sich alles erklären lassen und sich richtig Zeit genommen“, schildert Reinke. Schnell sei ein Verständnis dafür da gewesen, dass das Thema Behinderung breit gefächert sei und nicht nur Rollstuhlfahrer*innen meine.

Breite Unterstützung für Bau von Lego-Rampen

Um die Idee der Lego-Rampen öffentlich vorzustellen, sprach die Interessensgemeinschaft den Altstadtverein an. Gemeinsam entwickelten sie die Idee, den nächsten verkaufsoffenen Sonntag im November 2021 der Barrierefreiheit zu widmen. Der SoVD lud die Bevölkerung zum gemeinsamen Bau von Lego-Rampen ein. Der Altstadtverein stellte dafür ein großes Zelt auf dem St.-Petri-Platz zur Verfügung. Und Vertreter*innen der Lebenshilfe besorgten die Legosteine und bereiteten eine erste Rampe vor. Am Tag selbst kamen Kinder sowie Erwachsene ins Zelt und bauten gemeinsam aus Legosteinen an einem barrierefreieren Buxtehude. Für weiteres Baumaterial erhielt die Interessensgemeinschaft die großzügige Geldspende einer Organisation und auch die Bevölkerung kann jederzeit Legosteine spenden und sie im Stadthaus abgeben. Als Nächstes will die Interessensgemeinschaft ein Leitbild für Barrierefreiheit entwickeln – und eine Plakette für Geschäfte, die nach diesem handeln.

Aufgaben für jedes Talent

Durch seine zentrale Rolle innerhalb der Interessensgemeinschaft wurde der SoVD in der Öffentlichkeit sehr stark wahrgenommen. Das führte dazu, dass Mitglieder, die noch nicht im Vorstand aktiv waren, Interesse anmeldeten, mitzumachen – weil sie sahen, wie spannend die Aufgaben im Vorstand sind. Schritt für Schritt lässt sich viel verändern, man muss den Weg nur gehen und mit Partner*innen vor Ort Ideen schmieden. Dafür setzen sich alle Vorstandsmitglieder im Buxtehude ein. „Es gibt viele verschiedene Aufgaben, jeder kann etwas anderes machen, denn jeder hat andere Stärken“, freut sich Reinke.