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Politik darf bei Pflege nicht in Wahlperioden denken

Der 1. Niedersächsische Tag der Sozialwirtschaft und Politik feierte am Montag eine gelungene Premiere für den Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen. In das Alte Rathaus nach Hannover waren rund 130 Teilnehmende aus Sozialwirtschaft, Politik und Wissenschaft gekommen, um sich über die Zukunft der Pflege auszutauschen. Landesvorsitzender Adolf Bauer begrüßte unter anderen die Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn, die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller sowie die Niedersächsischen Staatssekretäre Dr. Jörg Mielke und Michael Rüter

Grundlage war die Diskussionsrunde von Unternehmern und Verbandsmanagern. Die Praktiker brachten auf den Punkt, was Politik tun muss, um zu verhindern, dass die Pflege zum Pflegefall wird. Allen Beteiligten war wichtig, dass Politik nicht nur in Wahlperioden denkt. Gerade, wenn sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 verdoppelt, sei eine Planung der Pflege wünschenswert. Vor allem im ländlichen Bereich fahren häusliche Pflegedienste Defizite ein, die ausgeglichen werden müssen, betonte Birgit Eckhardt, stellvertretende Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Niedersachsen. Als Vertreterin der ambulanten Pflegedienste ergänzte Jasmin Arbabian-Vogel, Geschäftsführerin Interkultureller Sozialdienst, dass nicht ausschließlich über die Entlohnung gesprochen werden müsse, sondern auch über die Aufwertung der Betriebe. Diese müssten sich verstärkt auch Gedanken über attraktivere Arbeitszeiten und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder machen.

Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft, machte auf die Misere der Krankenhäuser aufmerksam. Zwei Dritteln davon gelänge es nicht, Überschüsse zu erwirtschaften. Außerdem müsse sich die Sichtweise von Politik ändern, weg vom Kostenfaktor hin zu den Leistungserbringern. Helmut Glenewinkel, Geschäftsführer für das Gesundheitsmanagement Pflege der AOK Niedersachsen, sprach sich gegen staatliche Pflegdienste aus, da diese zu unflexibel seien und zu wenig Anreiz für Qualität böten. Dirk Swinke, Geschäftsführer des SoVD-Landesverbandes Niedersachsen e.V., schlug eine Alternative zu den Pflegestufen des MDK vor: nämlich das individuelle Pflegebudget.

Sozialwissenschaftler Dr. Peter Bleses von der Uni Bremen trug die Ergebnisse des Verbundprojekts „Zukunft: Pflege“ vor. Dabei ging es darum, was Pflegeunternehmer tun können, um anstehende Herausforderungen zu meistern. In ihrer Rede sagte die niedersächsische Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) dass „Dumpinglöhne in der Pflege nicht akzeptabel sind“ und die Dokumentationspflicht abgebaut werden müsse. Zudem sprach sie sich erneut für eine Pflegekammer aus.

 

Im anschließenden Streitgespräch der Fraktionsspitzen aus dem niedersächsischen Landtag hielt Reinhold Hilbers (CDU) dagegen und erntete dafür viel Applaus: „Die Pflegekammer ist eine teure Mogelpackung.“ Bauer pflichtete ihm bei „Sie löst keinerlei Probleme.“ Anja Piel (Grüne) betonte, je besser Pflegekräfte über die Pflegekammer informiert werden, umso mehr stimmten sie dafür. Johanne Modder (SPD) war es wichtig, auch die Probleme der pflegenden Angehörigen wahrzunehmen. Auch diese müssten entlastet und beraten werden. Christian Dürr (FDP) machte sich auch für einen Abbau von Bürokratie stark: „Die Fachkräfte sind keine Aktenpfleger, sondern Menschenpfleger.“

 

Außergewöhnlich an der Veranstaltung war die direkte und unkomplizierte Einbindung des Publikums in die Diskussion. Auf einer Twitterwall wurden die Fragen unter dem Hashtag #sovdnds an die Leinwand geworfen. Mit dieser modernen Vorgehensweise gelangten Anmerkungen reibungslos zu Moderator und SoVD-Landespressesprecher Matthias Büschking. Darüber hinaus hatten die Pflegeunternehmer im Mittags- und Nachmittagsatrium an kleinen Tischrunden die Gelegenheit, mit einem Politiker in den aktuellen Dialog zu treten. Gastgeber und erster Vorsitzender des SoVD-Landesverbandes Niedersachsen e.V., Adolf Bauer, sagte bei der Verabschiedung zu den Gästen: „Ich gehe davon aus, dass dies nicht die letzte Veranstaltung dieser Art gewesen sein wird.“