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Inklusion FehlanzeigeLehrer soll wegen Krankheit lieber in Frühpension gehen als arbeiten

Sebastian K. ist mit Herz und Seele Lehrer. Mit viel Enthusiasmus lehrt er Wirtschaft und Politik — erst an einem Gymnasium in Bremen, seit ein paar Jahren an einer Berufsbildenden Schule im Landkreis Osterholz. Alles läuft gut, bis der 41-Jährige 2015 krank wird und nicht mehr in gewohntem Umfang unterrichten kann. Doch anstatt mit Sebastian K. gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, legen ihm die Landesschulbehörde und seine Schule Steine in den Weg.

Viele Jahre arbeitet Sebastian K. engagiert als Lehrer. Bis er 2015 auf einmal unerklärliche Schmerzen in den Armen und Beinen bekommt. Als er kurz darauf auf der Treppe zusammenbricht und stürzt, macht er sich Sorgen und geht ins Krankenhaus. „Dort habe ich mich gründlich durchchecken lassen. Allerdings hat es einige Zeit gedauert, bis die Diagnose feststand“, erzählt Sebastian K. 2016 teilen ihm seine Mediziner*innen mit, dass er unter der sogenannten Small-Fiber-Neuropathie leide. „Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die ausschließlich die kleinen vegetativen und sensiblen Nervenfasern betrifft“, erläutert der Lehrer. Die Folgen sind starke Schmerzen in Armen und Beinen. „Außerdem bin ich sehr empfindlich hinsichtlich Lärm, Temperatur und Helligkeit“, erzählt er weiter.

Genau diese Symptome führen dazu, dass Sebastian K. nicht mehr wie gewohnt in einer voll besetzten Klasse arbeiten kann. Das bestätigt ihm auch der Amtsarzt. Doch aufgeben will der 41-Jährige seinen Job nicht. Er möchte gerne weitermachen, braucht dazu jedoch ein paar Anpassungen. „Ich kann immer noch Gruppen in Präsenz unterrichten. Diese müssen allerdings kleiner sein als üblich. Außerdem brauche ich einen ruhigen Raum mit einer konstanten Temperatur“, sagt Sebastian K. Auch diese Voraussetzungen finden sich im amtsärztlichen Gutachten. Während das am Gymnasium in Bremen funktionierte, ist dies an seiner aktuellen Schule nicht möglich. „2016 habe ich mich versetzen lassen, weil der Arbeitsweg für mich zu lang war. Das war ein großer Fehler“, berichtet er. Denn: Sowohl die Landesschulbehörde als sein Dienstherr als auch seine Schule scheuen sich, die vom Amtsarzt aufgeführten Vorgaben umzusetzen. „Die Landesschulbehörde möchte, dass ich wieder kompletten Präsenzunterricht mache und behauptet, die Schule hätte die Voraussetzungen erfüllt“, so der Lehrer. Das sei jedoch gerade im Hinblick auf Klassenstärke, Raumtemperatur und Lautstärke nicht richtig.

Die beste Lösung in seinen Augen wäre, dass er seine Schüler*innen vom Homeoffice aus digital unterrichtet. Warum die Behörde und die Schule das ablehnen, will ihm nicht in den Kopf: „Während Corona ging das doch auch. Außerdem habe ich nach meiner Krankschreibung ein Jahr digital unterrichtet. Das hat hervorragend geklappt. Doch auf einmal soll das nicht mehr gehen“, so Sebastian K. Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen ist empört über das Verhalten der Behörde und der Schule. „Wenn man sich die Unterlagen durchliest, wird vor allem eins deutlich: Die Schulbehörde möchte Herrn K. lieber in die Frühpension schicken, als ihm den digitalen Unterricht zu genehmigen“, kritisiert Katharina Lorenz vom SoVD. Das sei umso unverständlicher, weil Schulen eigentlich dazu verpflichtet seien, ihr digitales Angebot auszubauen. Außerdem wäre es wünschenswert, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen und so eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Sebastian K. ergänzt: „Überall ist vom Fachkräftemangel bei Lehrern die Rede. Aber ich soll frühzeitig den Job quittieren, obwohl ich unbedingt arbeiten möchte. Das verstehe ich nicht.“

Er versucht, sich gerichtlich zu wehren – leider bislang ohne Erfolg. „Dieses Beispiel macht deutlich, wo es bei der Inklusion im Job hakt: Da wird auf althergebrachte Strukturen gepocht, obwohl es so einfach wäre, Herrn K. weiter unterrichten zu lassen. Das ist wirklich bitter. Wenn wir es mit der Inklusion ernst meinen, muss sich das ändern, auch im öffentlichen Dienst“, so Lorenz weiter. Sebastian K. gibt jedenfalls die Hoffnung nicht auf: „Ich möchte mir das nicht gefallen lassen und nicht mit 41 schon meinen Beruf aufgeben.“

Betroffene, die in einer ähnlichen Situation wie Sebastian K. sind und Interesse an einer Vernetzung mit ihm haben, können sich unter presse(at)sovd-nds.de gerne direkt an den SoVD in Niedersachsen wenden. Er stellt dann einen entsprechenden Kontakt her.