„Abruptes Ende oder mehr Flexibilität? Den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente flexibel gestalten“
Der Übergang in den Ruhestand steht vor einem Wandel: In Zukunft werden ältere Menschen länger im Berufsleben bleiben – und nebenher oftmals schon Rente erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass die neue Flexi-Rente von den Beschäftigten angenommen wird. Darin waren sich die Teilnehmer der Fachtagung „Abruptes Ende oder mehr Flexibilität? Den Übergang in die Rente flexibel gestalten“ einig. Die Diskussionsrunde allerdings brachte deutliche Unterschiede im Feinschliff zutage. Die vom Sozialverband Deutschland – Landesverband Niedersachsen e.V. (SoVD) und der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover am Donnerstag in Laatzen veranstaltete Tagung verfolgten rund 100 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
Flexible Übergänge in die Rente können durchaus dazu beitragen, ältere Beschäftigte länger im Arbeitsleben zu halten. Denn wer allmählich seine Arbeitszeit verringere, senke auch die Belastungen am Arbeitsplatz und könne Einkommenseinbußen mit einer Teilrente verringern, sagte Bernhard Sackarendt. Auch wenn Teilrenten seiner Meinung nach schon mit 60 Jahren ermöglicht werden sollten: „Ziel muss sein, das tatsächliche Renteneintrittsalter an die Regelaltersrente heranzuführen“, betonte der stellvertretende SoVD-Landesvorsitzende. Neue Hinzuverdienst-grenzen sollten „klar und verlässlich“ geregelt sein.
So sah es auch Professor Ralf Kreikebohm, der „verständliche und nachvollziehbare“ Hinzuverdienstregelungen forderte. Der Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover hegt allerdings Zweifel, dass das angedachte komplexe Anrechnungsmodell dieser Rolle gerecht wird und auf breite Akzeptanz stößt. „Bei einem höheren Hinzuverdienst soll es Rückforderungen geben, bei einem geringeren Nachzahlungen.“ Versicherte würden dadurch mögliche Risiken einer Teilrente stärker wahrnehmen als deren Chancen. Stattdessen empfiehlt er, die Einkommen wie bei den Hinterbliebenenrenten anzurechnen. Das sei ein seit 30 Jahren bewährtes Verfahren – und für die Versicherten deutlich nach-vollziehbarer.
Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gehörten Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten grundsätzlich ganz abgeschafft oder zumindest deutlich gelockert. „Viele Rentner missverstehen die-se Grenzen als Verbot, nach Rentenbeginn eine Arbeit aufnehmen zu dürfen“, kritisierte der BDA-Referent für Soziale Sicherung, Dr. Martin Kröger, die Vorschläge der Koalitionsarbeitsgruppe. Diese seien lediglich Detailänderungen, die alle nur eine sehr begrenzte Wirkung entfalteten. Er begrüßte, dass mit dem Reformvorhaben keine „neuen Frühverrentungsmodelle“ geschaffen werden sollen.
Genau hier setzte die Kritik von Jutta Schmitz an. Die Wissenschaftlerin forscht im Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Ihrer Ansicht nach stelle die geplante Flexi-Rente einseitig darauf ab, Erwerbsanreize zu setzen und verbillige dabei für die Betriebe auch noch die Anstellung von Rentnern. „Das ist sowohl renten- als auch sozialpolitisch hoch problematisch“, findet Schmitz. Besonders heikel sei die im Rentenrecht verankerte Annahme, dass eine frühe Rente eine freiwillige Entscheidung sei, die sanktioniert werden müsse. Damit werde die Realität spezieller Beschäftigtengruppen auf dem Arbeitsmarkt verkannt – neue Strategien sollten dem aber gerecht werden.
Auch aus Richtung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wehte ein schar-fer Wind: Die Möglichkeiten, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen, seien weitge-hend eingeschränkt, so Ingo Schäfer. Abschläge und ein sinkendes Rentenniveau begrenzten die realen Wahlmöglichkeiten. Der Referatsleiter Alterssicherung und Rehabilitation im DGB-Bundesvorstand forderte sozial abgesicherte Übergänge in den Ruhestand als „Norm und Regel“. Es gebe nicht eine Lösung für alle, aber für alle eine Lösung. Teilrenten gehörten dazu, seien aus seiner Sicht aber bei Weitem nicht ausreichend.
Damit Arbeitnehmer das Renteneintrittsalter überhaupt erreichen können, brauche es zusätzlich noch bessere Angebote in der Rehabilitation, fügten die Veranstalter an. Prävention und Rehabilitation müssten zielgenau entwickelt, ihre Angebote besser miteinander verzahnt werden, erläuterte Professor Kreikebohm. Dennoch werde es Versicherte geben, die wegen gesundheitlicher Einschränkungen eine Erwerbsminderungsrente beziehen müssen. „Die Abschläge hierfür sind abzuschaffen“, forderte Sackarendt.
Schon heute können Beschäftigte mit einer Teilrente aus dem Berufsleben gleiten. Aber das geltende Recht ist kompliziert, und das kleinste Überschreiten der individuell berechneten Hinzuverdienstgrenze lässt die Altersrente auf bis zu ein Drittel schrumpfen oder sogar ganz wegfallen. Die neue Flexi-Rente soll das jetzt ändern. Nach den Vorschlägen der Koalitionsarbeitsgruppe sollen Frührentner die Möglichkeit erhalten, ein Teilzeitgehalt durch eine sich flexibel anpassende Teilrente zu ergänzen.
Und das sieht so aus: Statt der monatlichen Grenze von heute 450 Euro für eine Vollrente und drei festen, aber individuell verschiedenen Grenzen für jeweils feste Teilrentenstufen soll es künftig nur noch eine jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro geben. Ein Hinzuverdienst oberhalb dieser Grenze wird grundsätzlich zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Der verbleibende Betrag wird als Teilrente gezahlt. Wie die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gabriele Lösekrug-Möller erklärte, soll das Weiterarbeiten bis zur Regelaltersgrenze generell die Rente erhöhen, das heißt auch bei einem Hinzu-verdienst neben einer Vollrente. Wer älter ist, könne dann selbst entscheiden, ob er versicherungspflichtig werden möchte und sowohl durch den bisher wirkungslos gebliebenen Arbeitgeberanteil als auch durch den eigenen Beitragsanteil seine künftige Rente erhöhen möchte.