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Adolf Bauer, 1. Landesvorsitzender: <br>Grußwort - Fachtagung "Sterbebegleitung – Sterbehilfe" - Das Recht auf einen würdigen Tod

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

auch ich begrüße Sie alle ganz herzlich im Namen des SoVD Niedersachsen zu dieser Fachtagung und bedanke mich für die Einladung.

Das Thema dieser Tagung "Sterbebegleitung – Sterbehilfe. Das Recht auf einen würdigen Tod" ist ein Thema, mit dem sich der SoVD Niedersachsen bereits seit Jahren befasst. Als Interessenverband für Menschen mit Behinderungen, Ältere und chronisch Kranke ist es ein Themenfeld, das besonders uns und unsere Mitglieder betrifft und angeht. Und das nicht nur in naher Zukunft, sondern jetzt, hier und heute.

Es ist ein umfassendes und komplexes Thema und darf keinesfalls leichtfertig betrachtet werden. Im Gegenteil: es ist ein brisantes Thema, welches eine Fülle von Fragen mit sich führt und Aufklärung und fachliche Expertise erfordert. Ein Thema, welches für unser Land und unsere geschichtliche Vergangenheit eine besondere Bedeutung hat.

Zwei zentrale Fragen treten für mich immer wieder in den Diskussionsmittelpunkt. Hat der Mensch das Recht, sich selbst töten zu lassen? Dürfen ihm andere dabei helfen oder gar die Giftspritze setzen? Anhand des Beispiels von Frau Wohlert sind diese Fragen konkretisiert worden. Darf ein Vater über Leben oder Tod seines Sohnes entscheiden? Hat er das Recht, seinen Sohn töten zu lassen? Das Gericht hat dagegen entschieden. Doch die Meinungen, Ansichten und Antworten gehen hier weit auseinander.

Eine klare Meinung haben dagegen die Niederlande. Sie sind das erste Land der Welt, in der aktive Sterbehilfe straffrei bleibt. 2001 hat das Parlament das Gesetz zur Kontrolle der Tötung auf Verlangen verabschiedet. Seitdem hat jeder Niederländer das Recht, auf eigenen Wunsch zu sterben, und seitdem ist jeder Arzt, der diesem Wunsch entspricht und tötet, juristisch und moralisch freigesprochen.

In Deutschland dagegen ist die aktive Sterbehilfe verboten. Doch durch die Legalisierung der Sterbehilfe in den Niederlanden ist die Diskussion um Euthanasie auch hierzulande wieder aufgeflammt. Und diese Entwicklung ist mit Besorgnis zu betrachten.

Viele sehen in der Sterbehilfe den Respekt vor der Selbstbestimmung des Menschen – ein Menschenrecht. Sie fordern die Erlösung vom Leiden durch Krankheit und Behinderung. Die anderen sprechen von einer Lizenz zum Töten. Sie warnen vor dem Missbrauchsrisiko und der Anmaßung, über den Wert eines Lebens zu entscheiden.

Doch hat der medizinische Fortschritt nicht auch seinen Teil dazu beigetragen, dass wir an diesem Punkt angekommen sind? Der Wunsch nach einem immer längeren Leben ist in unserer Gesellschaft lange Zeit ganz groß geschrieben worden. Doch nun stellt sich die Frage: "Muss das Leben wirklich um jeden Preis verlängert werden? Hat nicht auch der Patient ein Recht auf mehr Selbstbestimmung?". Sind die ärztlichen Künste, die ein Leben um jeden Preis verlängern das, was wir uns immer erhofft haben?

Die passive Sterbehilfe, das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen und die indirekte Sterbehilfe, die durch die Vergabe von Schmerzmitteln einen frühren Tod in Kauf nimmt, sind in Deutschland weitestgehend akzeptiert. Auch den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen wie Beatmung, Bluttransfusion oder künstliche Ernährung gestattet der Bundesgerichtshof, sofern der Sterbevorgang eingesetzt hat. Den vorzeitigen Tod durch hohe Dosen von Schmerzmitteln erlaubt der Bundesgerichtshof ebenfalls.

Aber die aktive Sterbehilfe bleibt tabu. Wir als Verband warnen davor, die bisherigen Regelungen aufzuweichen. Sollte sich das Töten auf Verlangen in der Praxis etablieren, ist der nächste, weitaus verheerendere Schritt nicht mehr weit. Und dieser Schritt könnte doch so viel Positives mit sich führen: eine Entlastung des Pflegepersonals, eine Entlastung der leeren Gesundheitskassen, der Verwandten, die unter den Heimkosten leiden usw. Der SoVD befürchtet einen enormen Druck auf den Personenkreis, der ohnehin schon mit dem Makel behaftet ist, der Gesellschaft zur Last zu fallen und allen anderen im Weg zu stehen. Der Ruf nach Euthanasie ist dann nicht mehr fern.

Niederländische Kinderärzte diskutieren derzeit, ob Euthanasie bei Neugeborenen mit schweren Behinderungen zulässig sein soll. Und schon hier kündigen sich die Vorboten für den erwarteten Missbrauch von Aktiver Sterbehilfe an. Und dabei wird es mit Sicherheit nicht bleiben! Bioethische Fragen müssen an dieser Stelle die Diskussion mit bestimmten.

Wir als Verband sehen es als eine zentrale Aufgabe an, das Angebot der Sterbebegleitung und Palliativmedizin verstärkt auszuweiten. Um den Patienten die Angst vor der Medizin, die Angst vor dem Leiden, die Angst vor der Entwürdigung und vor der Einsamkeit zu nehmen, können die Palliativmedizin und die Sterbebegleitung einen wesentlichen Beitrag leisten.

Mit einem Zitat der Gründerin der Hospizbewegung, Cecily Saunders, möchte ich mein Grußwort schließen:

Der Wunsch, allem ein Ende zu setzen, kann viele Gründe haben: Einsamkeit, Schmerzen usw. Wenn jemand da ist, der einen pflegt und die Schmerzen nimmt, kann man den Weg bis zu Ende gehen und würdig sterben, das heißt "an der Hand eines anderen und nicht durch die Hand eines anderen".

Ich wünsche der Tagung einen positiven Verlauf und freue mich auf interessante Referate und spannende Diskussionen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Weitere Links:

<link _top>Elisabeth Wohlert, Landesfrauensprecherin: Eröffnungsrede

<link _top>Jürgen Heise, DGHS-Kontaktstelle Hannover: Vortrag

<link _top>Zur Pressemitteilung