Konkrete Forderungen an Politik in den Bereichen Pflege, Wohngeld & Co.„Schwarzbuch sozial“: SoVD veröffentlicht Ungerechtigkeiten
Hannover. Am heutigen Mittwoch hat der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen sein aktuelles „Schwarzbuch sozial“ mit den größten Ungerechtigkeiten aus seinem Beratungsalltag vorgestellt: Da leidet eine Frau an einer schweren neuroimmunologischen Erkrankung (ME/CFS), geht auf zwei gesunden Beinen in die Reha und kommt im Rollstuhl wieder heraus. Da muss ein Sohn Sozialhilfe für seine Eltern beantragen, weil die Kosten im Pflegeheim exorbitant gestiegen sind. Da muss eine Ausbilderin fünf Jahre um ein Hörgerät kämpfen, das sie dringend für ihren Job benötigt. Vielen dieser Fälle liegen ungerechte Gesetze, wirtschaftliche Erwägungen und oft auch mangelndes Fingerspitzengefühl zugrunde. Deshalb stellt der SoVD ganz konkrete Forderungen an Behörden, Ämter und die Politik.
Die mehr als 20 Fälle im neuen „Schwarzbuch sozial“ des SoVD in Niedersachsen zeigen sehr eindrücklich: Recht haben und recht bekommen sind leider sehr oft zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Gerade Ältere, Kranke, Pflegebedürftige und Menschen mit geringem Einkommen sind von falschen und ungerechten Entscheidungen von Ämtern, Behörden, Kranken- und Pflegekassen betroffen. „Viele Menschen, die zu uns kommen, sind verzweifelt, überfordert und wissen häufig nicht, wie sie ihren Alltag noch stemmen sollen“, erläutert Bernhard Sackarendt, Verbandsratsvorsitzender des SoVD in Niedersachsen. Die derzeitigen Preissteigerungen würden die Lage zusätzlich verschärfen.
Eine große Verunsicherung zeigt sich laut SoVD insbesondere im Bereich Pflege. Hier hat sich die Anzahl der Verfahren in der Beratung mehr als verdoppelt. „Das betrifft insbesondere das Thema Einstufung in einen Pflegegrad. Seit Jahren gibt es immer wieder Probleme bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst“, berichtet Sackarendt. Dies habe sich noch einmal deutlich verschärft. „Außerdem kommen immer mehr Menschen zu uns, weil sie nicht mehr wissen, wie sie den hohen Eigenanteil für ihren Platz im Pflegeheim noch zahlen sollen“, so der Vorsitzende weiter. Gerade in den vergangenen Monaten seien diese Kosten rasant gestiegen. „Langfristig muss unser Pflegesystem auf komplett neue Füße gestellt werden. Kurzfristig kann die Landesregierung aber schnell Abhilfe schaffen und die Investitionskosten übernehmen“, fordert Sackarendt. Diese machten immerhin etwa ein Fünftel des Eigenanteils aus. „Damit wäre den Pflegebedürftigen schon sehr geholfen und sie müssten nicht mehr Sozialhilfe beantragen, obwohl sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben“, macht er deutlich.
Mit dem „Schwarzbuch sozial“ will Niedersachsens größter Sozialverband vor allem bei der Politik den Finger in die Wunde legen. „Wir nutzen das Schwarzbuch dazu, um deutlich zu machen, welche negativen Konsequenzen zahlreiche Gesetze für Menschen haben, denen es ohnehin schon nicht gut geht“, ergänzt Dirk Swinke, Vorstandsvorsitzender des SoVD in Niedersachsen.
Durch die Inflation und die enormen Preissteigerungen der vergangenen Jahre seien noch mehr Menschen finanziell stark belastet. „Das gilt gerade für Bezieher*innen von Bürgergeld, Wohngeld und Grundsicherung“, erläutert Swinke. Sie hätten zusätzliche Kosten von ihren ohnehin schon geringen Regelsätzen stemmen müssen. Das zeigten auch die SoVD-Zahlen deutlich: Die Berater*innen haben im Bereich der Grundsicherung rund 35 Prozent mehr Verfahren geführt als im Jahr zuvor. Beim Wohngeld hat sich die Zahl sogar mehr als verdoppelt.
„Um weiter steigende Armut zu verhindern, müssen die Regelsätze stärker erhöht werden, die für Januar geplanten Anhebungen reichen bei Weitem nicht“, betont der Vorstandsvorsitzende. Auch die Kindergrundsicherung sei ihren Namen nicht wert: „Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. In der derzeitigen Ausrichtung wird sie Kinderarmut nicht verhindern.“
Insgesamt vertritt der SoVD in Niedersachsen die Interessen von rund 280.000 Menschen in den Bereichen Rente, Pflege, Behinderung, Gesundheit, Bürgergeld und Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht. Und das mit Erfolg: Im vergangenen Jahr hat der Verband rund 53 Millionen Euro an einmaligen Nachzahlungen für seine Mitglieder erstritten. Das sind circa 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der geführten Verfahren ist um etwa 13 Prozent gestiegen.
Das „Schwarzbuch sozial“ ist hier als PDF abrufbar.