Krankenkasse verweigert ZahlungSoVD erstreitet Kosten für präventive Brust-OP
Gerda Köller hatte infolge einer seltenen Krankheit mehr als 70 Tumoren in den Brüsten. Diese waren zwar gutartig, dennoch bestand ein erhöhtes Brustkrebsrisiko. Auf ärztlichen Rat wollte die 44-Jährige sich deshalb beide Brüste entfernen lassen. Doch die AOK weigerte sich, die Kosten für die Operation zu übernehmen. Mithilfe von Niedersachsens größtem Sozialverband hat das SoVD-Mitglied erfolgreich gegen die Krankenkasse geklagt.
Die Lebensumstände von Gerda Köller sind nicht einfach: Seit einem Arbeitsunfall im Jahr 2014 ist die 44-Jährige auf einen Rollstuhl angewiesen. Doch diesen Rückschlag konnte sie gut ausgleichen. Zwar musste sie ihren Job in einem Oldenburger Fahrradgeschäft aufgeben, weil kein behindertengerechter Arbeitsplatz eingerichtet werden konnte. Seit Sommer 2017 hat sie aber einen unbefristeten Vollzeit-Arbeitsvertrag bei einem IT-Unternehmen in Oldenburg.
Mammografie ergibt auffälligen Befund
Im Herbst desselben Jahres begann dann allerdings ein neuer Leidensweg: Eine turnusmäßige Mammografie ergab einen auffälligen Befund. Daraufhin brachte eine am Brustzentrum Kreyenbrück vorgenommene Röntgenuntersuchung der Milchgänge die Diagnose: Köller litt an einer ausgeprägten Milchgangspapillomatose – einer schmerzhaften und äußerst seltenen Brusterkrankung. Der Arzt habe, so Köller, nur gesagt: „Wir haben über 70 Tumoren gezählt, das habe ich noch nie gesehen.“
Es folgte eine erste Operation, um die an sich gutartigen Tumoren zu entfernen. Doch die Blutungen aus den Mamillen hielten an. „Das war das erste Mal, dass ich Angst hatte, dass daraus Karzinome werden könnten.“ Denn: Wenn die Papillome den Milchgang durchbrechen, können sie entarten. Die Behandlung wurde fortgesetzt. Köller: „Es gab immer wieder Stanzbiopsien, Untersuchungen, Besprechungen und ich musste auf Ergebnisse warten. Mit jedem Eingriff konnte Böses freigesetzt werden. Da haben die Ärzte und ich gemeinsam entschieden, die Brüste zu entfernen.“ Auch die Beurteilung der Klinik, eine vorbeugende Brust-Amputation sei medizinisch sinnvoll, bestärkte sie in ihrem Entschluss. „Es war ein Stadium der Unkontrollierbarkeit erreicht, es bedeutete für mich eine dauerhafte Angst“, berichtet die 44-Jährige. Diese Angst blieb, weil auch weitere Untersuchungen und ein gerichtlich zugezogener Gutachter zu vergleichbaren Diagnosen kamen.
Dauerhafte Angst vor Krebs verändert das Leben
„Wenn man über 70 Mini-Tumoren in den Brüsten hat und immer wieder die Diagnose hört, dass die Erkrankung ein Einzelfall sei und die Gefahr besteht, dass aus den kleinen Tumoren bösartiger Krebs wird, dann verändert sich das Leben“, so Köller. Also beantragte sie bei ihrer Krankenkasse schließlich die Ablatio mammae – die vollständige Entfernung der Brüste. Doch die AOK Oldenburg lehnte ab. Begründung: Die histologischen Befunde reichten angeblich nicht aus. Für Köller ein Schlag ins Gesicht. Weitere Behandlungen oder brusterhaltende Maßnahmen waren keine Lösung für sie: Jeder Eingriff konnte die Gefahr vergrößern, dass Krebs entstand.
In ihrer Not wandte Köller sich an das SoVD-Beratungszentrum Oldenburg. „Die Haltung der AOK war für uns nicht nachvollziehbar und wurde den Umständen des Falls von Frau Köller in keiner Weise gerecht“, sagt SoVD-Rechtsschutzsekretär Matthias Hecker, der in Köllers Namen Klage beim Sozialgericht Oldenburg einlegte.
Derweil wurden bei dem SoVD-Mitglied im September 2019 wieder neue Tumoren sichtbar. „Das Brustzentrum wurde zur zweiten Heimat“, erinnert sich Köller. In einer erneuten OP sollten die Papillome entfernt werden. „Doch jeder medizinische Eingriff, der meine Brust retten sollte, wurde zur Belastung“, erklärt die 44-Jährige. „Meine neue Chance in der Arbeitswelt ist in Gefahr, wenn ich immer wieder operiert werde“, sagt sie. „Ich kann die Nach- und Nebenwirkungen einer OP nicht wegstecken wie andere. Bis ich mich wieder richtig bewegen und arbeiten kann und die Narben verheilt sind, dauert es mindestens sechs Wochen. Das sind jedes Mal sechs Wochen Arbeitsausfall.“
Dann kam endlich das erlösende Urteil: Das Sozialgericht gab Köller recht. Ende Juli 2020 wurde die Ablatio mammae im Brustzentrum des Pius-Hospitals in Oldenburg erfolgreich durchgeführt. Köller ist mit der Entwicklung mehr als zufrieden.
Sozialgericht gibt SoVD-Mitglied recht
„Nach dem Gang vor Gericht bin ich froh, dass mich die Richterin in meiner physischen und psychischen Lage verstanden hat. Und dass das Urteil auch für andere Frauen Bedeutung haben kann – obwohl es eine Einzelfallentscheidung ist“, sagt das SoVD-Mitglied erleichtert. „Es war gut zu hören, dass die Richterin sagte, die Zumutbarkeit sei lange überschritten. Und es ist gut, dass dank der Hilfe vom SoVD die AOK die Kosten schließlich übernommen hat.“ So könne, freut sich Gerda Köller, wieder ein normales Leben beginnen.