Individuelle Bedürfnisse von Betroffenen werden nicht berücksichtigtSoVD kritisiert: Keine Psychotherapie nach festem Raster
Wer psychische Probleme hat, benötigt schnell professionelle Hilfe. Doch die Suche nach einem freien Therapieplatz gestaltet sich für Betroffene in den meisten Fällen langwierig. Mit einer Neuregelung will das Bundesgesundheitsministerium diese Problematik jetzt angehen und je nach Diagnose eine bestimmte Stundenzahl für die Patient*innen festschreiben. Der SoVD in Niedersachsen kritisiert das Vorhaben, denn er befürchtet, dass damit die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen keine Berücksichtigung mehr finden.
Wer in Niedersachsen einen Therapieplatz sucht, bekommt zwar im Durchschnitt nach sechs Wochen ein erstes Gespräch, der Behandlungsbeginn kann sich aber durchaus mehr als 22 Wochen hinziehen. Mit einem Änderungsantrag will das Bundesgesundheitsministerium ein Rastersystem für Psychotherapien einführen, das unter anderem die Dauer und den Aufwand für das jeweilige Krankheitsbild festlegt. „Das bedeutet, dass Therapeut*innen die Betroffenen nicht mehr individuell behandeln könnten, sondern nach einem festgelegten Schema vorgehen müssten“, sagt Bernhard Sackarendt, Vorsitzender des SoVD in Niedersachsen. Dieses Raster schaffe zusätzliche Hürden und Druck bei denjenigen, die sowieso bereits mit langen Wartezeiten und Stigmatisierung zu kämpfen hätten. „Psychische Erkrankungen lassen sich nicht in ein Schema pressen“, betont Sackarendt.
Da die Wartezeiten in Niedersachsen über dem Bundesdurchschnitt liegen und der Bedarf aufgrund der Corona-Krise deutlich zugenommen hat, sieht Niedersachsens größter Sozialverband dringenden Handlungsbedarf. „Die Bedarfsplanung muss schnellstmöglich reformiert werden, indem mehr psychotherapeutische Praxen zugelassen werden. Der vorliegende Vorschlag ist jedenfalls der falsche Weg“, ist sich der SoVD-Chef sicher.