Mit Hilfe des SoVD bekommt Mitglied nach über drei Jahren HilfsmittelWegen Blindheit: Krankenkasse will Elektro-Rollstuhl nicht zahlen
Helge Sydow ist durch seine Erkrankung am Devic-Syndrom, einer entzündlichen Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, nicht mehr im der Lage, einen gewöhnlichen Rollstuhl selbst zu bedienen und somit ständig auf die Hilfe anderer angewiesen. Um mehr Eigenständigkeit zurückzugewinnen, beantragt er bei der Krankenkasse einen Elektro-Rollstuhl – doch diese lehnt ab. Die Begründung: Sydows Blindheit macht das sichere Führen eines solchen Rollstuhls unmöglich. Mit Hilfe des SoVD kann er das Gegenteil beweisen und nach über drei Jahren bewilligt die Krankenkasse endlich einen Elektro-Rollstuhl.
Der 58-jährige Helge Sydow leidet am Devic-Syndrom. Im fortschreitenden Verlauf der Krankheit hat er einen Schlaganfall, wodurch besonders seine linke Körperhälfte stark bewegungseingeschränkt und er weitgehend auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Dazu kommt, dass er durch seine Erkrankung erblindet ist. Deshalb nimmt Sydow 2016 an einer Orientierungs- und Mobilitätsschulung für blinde Menschen teil. Durch die starke Einschränkung der linken Körperhälfte ist diese Schulung für Sydow jedoch nicht ohne Unterstützung in einem normalen Rollstuhl möglich. Also imitiert die Schulungsleitung kurzerhand durch Schieben ein motorisiertes Hilfsmittel. So bekommt Sydow die Möglichkeit auszuprobieren, ob er sich mit dieser Art von Rollstuhl und seinem Langstock sicher fortbewegen kann – mit Erfolg. Was seine Krankenkasse allerdings nicht anerkennt.
Klage vor dem Sozialgericht mit der Hilfe des SoVD
Als sich Helge Sydows Gesundheitszustand verschlechtert und es ihm kaum noch möglich ist, mit einem gewöhnlichen Rollstuhl im Alltag eigenständig mobil zu sein, wird ihm 2018 ein Elektro-Rollstuhl ärztlich verordnet. Aber die Krankenkasse lehnt seinen Antrag wegen Zweifel an seiner Fahrtauglichkeit ab und der eingelegte Widerspruch wird aufgrund eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes, das ähnlich begründet, ebenfalls zurückgewiesen. „Das wollte ich so nicht stehenlassen und habe mir deshalb 2019 beim SoVD Hilfe geholt“, erklärt Sydow. Mit der Unterstützung des SoVD-Beratungszentrums klagt er dieses Mal vor dem Sozialgericht in Lüneburg. „Das Sozialgericht ist Ende 2020 zu der Einschätzung gelangt, dass von Herrn Sydow durch die Nutzung eines Elektro-Rollstuhls keine größere Gefahr ausgeht als von einem Fußgänger und er das Hilfsmittel zwingend benötigt“, so Frank Rethmeier, Leiter des Sachgebiets Sozialrecht des SoVD-Landesverbands Niedersachsen.
Die nächste Instanz: Der SoVD vertritt Helge Sydow auch vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Doch die AOK stellt sich weiterhin quer und geht in Berufung. „Es ist ein Unding, dass die Krankenkasse Herrn Sydow den zur Teilhabe dringend benötigten Rollstuhl wiederholt verweigert hat, obwohl die vorgebrachte Begründung, dass er durch seine Blindheit einen Elektro-Rollstuhl nicht ordnungsgemäß führen könne, widerlegt werden konnte“, sagt Rethmeier, der Helge Sydow in der nächsten Instanz vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen vertritt. „Ich hatte von vorneherein das Gefühl, dass das Ganze extra in die Länge gezogen wurde. Vermutlich, damit ich einfach aufgebe“, mutmaßt Sydow. Doch auch das LSG entscheidet im Dezember 2021 zugunsten von Sydow: Die Krankenkasse muss ihn mit einem Elektro-Rollstuhl versorgen. „Dass das Landessozialgericht selbst mit dem Fall an die Öffentlichkeit gegangen ist, unterstreicht für uns noch einmal das inakzeptable Verhalten der zuständigen Krankenkasse. Außerdem freut es uns natürlich besonders für Herrn Sydow, dass in dem Beschluss der neudefinierte, dynamische Behindertenbegriff berücksichtigt wurde, nachdem Teilhabe und eine Ermöglichung der individuellen Lebensplanung im Vordergrund stehen“, so Rethmeier.
Hilfsmittel nach mehr als drei Jahren endlich bewilligt
Aber auch mit dem Beschluss muss Helge Sydow noch auf sein Hilfsmittel warten. Das Problem: Den Rollstuhl, den er 2018 beantragt hatte, gibt es inzwischen nicht mehr. Daher verlangt die Krankenkasse nach dem Urteil des LSG vom zuständigen Rollstuhlhändler, Informationen zu einem möglichst ähnlichen Rollstuhl zu liefern. Dieser schickt einen Fragebogen mit zahlreichen Fragen zum Ersatzmodell und einen Kostenvoranschlag an die Krankenkasse. Danach vergehen einige Monate, bis Sydow Anfang 2022 endlich positive Nachrichten erhält. „Ich weiß gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Über drei Jahre nach meinem Antrag bekomme ich endlich meinen so ersehnten Elektro-Rollstuhl", freut sich Helge Sydow.