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Trotz schwerer chronischer Erkrankung nach UnfallfolgeUnfallkasse verweigert wichtige Unterstützung

Über fünf Jahre muss Harald B. (Name geändert) darauf warten, dass seine Erkrankung bei der Unfallkasse „Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover“ anerkannt wird. Mithilfe eines unabhängigen ärztlichen Gutachtens sowie der rechtlichen Unterstützung des SoVD hat er erfolgreich Widerspruch gegen die Ablehnung seines Antrags eingelegt und erhält jetzt die finanzielle Unterstützung, die ihm zusteht.

Vor rund fünfeinhalb Jahren passiert Harald B., der für eine Gemeinde im Emsland als Gärtner tätig ist, ein folgenschwerer Unfall während seiner Arbeitszeit. Ohne Selbstverschulden werden dabei sein linker Arm sowie seine Hand schwer verletzt. Den Nervenschaden, den er erleidet, bemerkt der behandelnde Chirurg zunächst nicht. Vermutet wird ein Bruch des Handgelenks. „Nachdem der Gips abgenommen wurde und ich auch einen Tag später meine Finger nicht bewegen konnte, war mir klar, dass etwas nicht stimmt“, sagt Harald B. Obwohl der von der Unfallkasse beauftragte Arzt sich dies zunächst nicht erklären kann, bekommt B. eine weiterführende Untersuchung bei einer Neurologin. Tatsächlich bestätigt sich, dass ein Nervenschaden (Plexusschaden) im linken Arm vorliegt. Die Nervenbahnen sind durch den Unfall ab der Achselhöhle abgerissen, sodass die linke Hand und der linke Arm sich nicht mehr bewegen lassen. „Das ist bis heute der Fall“, sagt der 54-Jährige. Doch nicht nur die Unbeweglichkeit der Finger und des Arms macht ihm zu schaffen. Seit dem Unfall leidet Harald B. unter starken Schmerzen. Die Hand schwillt immer wieder an. Sie wird blau und rot. Der Arm lässt sich kaum bewegen. Weitere Untersuchungen ergeben die Diagnose „Morbus Sudeck“ – eine Nervenerkrankung (heute CRPS genannt), die durch den Unfall ausgelöst wurde. In B.s Fall heilt die Erkrankung nicht aus. Die Finger versteifen in Folge immer stärker.

Trotz anfänglicher Unterstützung werden Harald B.s Beschwerden nicht ernstgenommen

Nach der Diagnose ändert sich B.s Leben drastisch. Er hat den Pflegegrad 3, muss bis heute Morphium nehmen, um die starken Schmerzen aushalten zu können und bekommt mehrmals in der Woche Physio- und Ergotherapie, damit die linke Hand und der Arm nicht vollständig versteifen. Da er seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann, wird ihm von der Rentenkasse die Erwerbsminderungsrente zugesprochen. „Die bekomme ich seit drei Jahren. Das lief ohne große Probleme“ erinnert sich Harald B. Da es sich um einen Arbeitsunfall handelt, stehen ihm auch Leistungen des Gemeinde-Unfallversicherungsverbands Hannover zu. Auch hier verläuft eine erste Begutachtung durch einen Arzt der Unfallkasse in Hannover noch konfliktfrei. „Es gab sofort Unterstützung und alle Hilfsmittel, die ich benötigte“, erzählt B. Das Bad wird behindertengerecht umgebaut, er bekommt einen Scooter und ein Therapiefahrrad. Alles ändert sich allerdings, als klar wird, dass sich keine Besserung einstellt und die Hand trotz intensiver Rehabilitations- und Therapieversuche weiter unbeweglich und schmerzhaft bleibt. Schon während eines Reha-Aufenthalts in einer Spezialklinik einige Wochen nach dem Unfall gibt es erste Schwierigkeiten, denn die Ärzte*Ärztinnen scheinen ihm seine Schmerzen und die Unbeweglichkeit der Hand sowie des Armes nicht zu glauben. „Man hat mir unterstellt, ich würde die Therapie verweigern und nicht mit den Ärzten und Physiotherapeuten zusammenarbeiten wollen. Das war für mich ein Schlag ins Gesicht, da habe ich das Vertrauen in die Ärzte verloren“, so der Emsländer. Vielmehr seien die Reha-Maßnahmen für ihn so schmerzhaft gewesen, dass er die Übungen immer wieder abbrechen musste. „Es fühlte sich an, als würde jemand mit einem Feuerzeug meine Hand verbrennen und zusätzlich noch mit dem Messer unter meine Fingernägel stechen. Es war wie eine Folter“, berichtet Harald B.

Drei Gutachten später werden Unterstützungsleistungen abgelehnt – mit Folgen

Weitere Gutachten durch die von dem Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover bestellten Ärzte*Ärztinnen verlaufen aus seiner Sicht problematisch. Eine Begutachtung bleibt ihm dabei besonders in Erinnerung. „Die Ärztin ging fast 15 Minuten so grob vor, dass ich vor Schmerzen geschrien habe. Meine Frau schritt schließlich ein und drohte ihr mit einer Anzeige“, sagt das SoVD-Mitglied. Nach drei Gutachten in verschiedenen Städten in Deutschland lehnt die Unfallkasse weitere Unterstützungsleistungen ab und begründete dies damit, dass B. nicht an seiner Genesung mitwirken wolle und offenbar – so das Argument der Unfallkasse – simuliere. „Wir waren am Boden zerstört“, sagt B. Finanzielle Unterstützung und auch medizinische Therapien, die notwendig sind, fallen nun weg. Er soll sich an die zuständige Krankenkasse wenden. Nur die Erwerbsminderungsrente bleibt.

Das trifft den 54-Jährigen hart. Die Hand versteift völlig, da die Therapieeinheiten durch die Krankenkasse drastisch begrenzt werden. Neben den physischen Schmerzen, die sich während dieser Zeit noch verschlechtern, erkrankt er durch die körperlichen Belastungen und die Probleme mit dem Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover auch psychisch. „Am Ende nimmt das die ganze Familie mit und stellt sie auf eine starke Belastungsprobe“, so der Frührentner. Er sei froh und dankbar, dass er in den vergangenen Jahren so viel Unterstützung durch seine Frau, Kinder und einige wenige Freunde erhalten habe.

Harald B. will kämpfen und wendet sich an den SoVD

Mit der Ablehnung der Unfallkasse wollen sich Harald B. und dessen Frau nicht abfinden und stattdessen für sein Recht kämpfen. Im Widerspruchsverfahren hat das SoVD-Mitglied erstmals das Recht, sich selbst eine*n unabhängige*n Gutachter*in zu suchen. Er nimmt Kontakt zu einem Arzt auf. Nach einer ausführlichen Untersuchung erstellt dieser ein 130 Seiten umfassendes Gutachten. Darin werden eine chronisch verlaufende Morbus-Sudeck-Erkrankung (CRPS) und ein Nervenabriss in der Achselhöhle bestätigt. Damit wendet Harald B. sich an das SoVD-Beratungszentrum Aschendorf. Sozialberaterin und Rechtsanwältin Angelika Kleymann unterstützt seinen Widerspruch gegen die Unfallkasse, begründet diesen mit dem unabhängigen Gutachten und fasst den Vorgang aus juristischer Sicht ausführlich zusammen. „Ich habe wegen des Gutachtens und der glaubhaften Schilderung von Herrn B. aus rechtlicher Sicht sehr große Aussichten auf einen erfolgreichen Widerspruch gesehen“, so Kleymann. Das Vorgehen der Unfallkasse sieht sie kritisch. Schließlich könne Harald B. die Hand und den Arm objektiv nicht bewegen und leide unter seiner Erkrankung.

Nach fünf Jahren wird Harald B.s Erkrankung endlich anerkannt

Am Ende hat der Widerspruch des SoVD in Verbindung mit dem unabhängigen Gutachten Erfolg. Der Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover lenkt ein und bestätigt, dass der 54-Jährige nun doch die geforderte Unterstützung erhält. Neben den für ihn wichtigen finanziellen Leistungen sind nun auch wieder Physio- und Ergotherapie sowie eine psychologische Begleitung in größerem Umfang möglich. „Ich möchte betonen, dass ich ohne meine Frau nicht durchgehalten hätte. Dankbar bin ich auch Frau Kleymann, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich bin froh, dass diese emotionale Achterbahnfahrt vorbei ist und ich die Hilfe bekomme, die mir zusteht“, erklärt Harald B. Anderen Betroffenen rät er, sich ebenfalls unabhängigen Rat bei Ärzt*innen und beim SoVD zu holen.